SMART CITY: DIE DIGITALE TRANSFORMATION DER STÄDTE
In unserem gegenwärtigen digitalen Zeitalter scheint alles intelligent und smart zu werden; so auch die Städte in Deutschland. Wir zeigen auf, was es mit einer Smart City auf sich hat, welche Lebensbereiche eine digitale Transformation durchlaufen, welche Modellprojekte die Menschen begeistern und welche Städte in Deutschland hier die Nase vorn haben.
Definition: Was ist eine Smart City?
Bei der Smart City handelt es sich um die intelligente Vernetzung von kommunaler Infrastruktur. Darunter versteht man, Städte effizienter, technologisch fortschrittlicher, nachhaltiger und sozial inklusiver zu gestalten. Das große Ziel ist, Energie und Ressourcen mit Hilfe von modernen Technologien wie dem Internet of Things und künstlicher Intelligenz zu nutzen, um die Lebensqualität der Bewohner:innen einer Stadt zu steigern. Zentrale Themen der Smart City sind daher:
- bürgerfreundliche Verwaltung
- Energieeffizienz
- Lebensqualität
- Mobilität und Infrastruktur
- Umwelt- und Ressourcenschonung
- wirtschaftliche Attraktivität
Es fehlt an ganzheitlichen Strategien
Noch steht Deutschland am Anfang der Digitalisierung seiner Städte. Viele arbeiten bereits an einer Smart City Charta, also an einem Modell, moderne Technologien zum Wohle der Bürger:innen einzusetzen, die wenigsten haben aber ganzheitliche Strategien. Es gestaltet sich schwierig, eine vorhandene Infrastruktur und Systeme zu transformieren. Oft geht es nicht darum, was technisch schon möglich ist, sondern, was Bewohner:innen akzeptieren und nutzen würden.
Ganz anders sieht es dagegen in Asien oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten aus. Hier werden auf der grünen Wiese neue Smart Cities entwickelt, wie etwa die Musterstadt "Songdo City" in Südkorea oder „Masdar City“ in Abu Dhabi.
Doch das muss nicht heißen, dass es in Europa nie eine wirkliche Smart City geben wird. Vor allem große Stadt- und Quartiersentwicklungen bieten auch in Europa gute Möglichkeiten, gezielt intelligente Lösungskonzepte einer Smart City zu integrieren.
Welche Lebensbereiche in der Stadt werden digitalisiert?
🚮 Smarte Abfallwirtschaft
Das berühmteste Beispiel einer Smart City ist die intelligente Abfallentsorgung. Sensoren messen die Füllmenge der Abfallcontainer. Sobald der Container voll ist, wird das Entsorgungsunternehmen darüber informiert, dass die Mülltonne geleert werden soll. Die Routen der Müllabfuhr können so angepasst und optimiert werden, dass nicht alle Straßen, sondern nur noch die Häuser und Bereiche, die wirklich eine Entsorgung benötigen, angefahren werden.
⚡ Smarte Energieversorgung
Energie kann durch intelligente Wasser- und Stromsysteme besser gespeichert und bedarfsgerecht genutzt werden.
🏢 Smarte Gebäude
Intelligente Gebäude, sogenannte Smart Buildings, sind zentraler Baustein einer digitalen Stadt. Diese verfügen über Systeme, die beispielsweise Heiz- und Lichtquellen an die Anzahl der Menschen anpassen, die sich aktuell in einem Raum befinden.
🚦 Smarte Infrastruktur
Indem verschiedene Daten, wie zum Beispiel Wetterinformationen, Veranstaltungen innerhalb der Stadt und die Verkehrslage, miteinander vernetzt werden, wird ein intelligentes Verkehrsmanagement ermöglicht, sodass Staurisiken reduziert werden können.
🚘 Smartes Parken
Sensoren helfen dabei, innerhalb einer Stadt einfach und schnell einen Parkplatz zu finden, indem sie verfügbare Parkmöglichkeiten erfassen und diese über digitale Schilder entlang der Straße oder über Smartphone-Apps anzeigen.
🛡️ Smarte Sicherheitssysteme
Kameras und Sensoren ermöglichen, zeitnah auf Vor- oder Notfälle zu reagieren und diese schnellstmöglich zu lösen.
Welche deutsche Stadt hat in Sachen Smart City die Nase vorn?
Bitkom, der Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche, erstellt seit fünf Jahren den Smart City Index, ein jährliches Digitalranking aller deutscher Städte ab 100.000 Einwohner:innen. Dabei werden fünf Themenbereiche genauer betrachtet: Verwaltung, IT und Kommunikation, Energie und Umwelt, Mobilität sowie Gesellschaft und Bildung. Die Datenerhebung fußt auf quellenbasierten Selbstauskünften der einzelnen Städte sowie einer Validierung und Indexberechnung durch Bitkom.
2023 hat München erstmals Hamburg vom Thron gestützt und 84,5 von 100 möglichen Punkten erzielt. Hamburg folgt mit 83,9 Punkten auf dem zweiten Platz, während Köln sich um eine Position auf den dritten Platz verbessert.
Insgesamt lässt sich beobachten, dass die Spitzengruppe digitaler Städte eng mit ihren Verfolgern zusammenrückt. Die ersten zehn Platzierungen haben noch nicht einmal 10 Punkte Unterschied. Interessant ist auch der Fakt, dass nur vier der A-Städte in den Top 10 zu finden sind und vor allem Universitätsstädte hier die Nase vorne zu schein haben. Dabei ist in der Rubrik Energie und Umwelt sogar keine der Big 7 zu finden.
Doch schauen wir uns die Smart-City-Konzepte der drei intelligentesten Städte – die immerhin A-Städte sind – einmal genauer an:
Smart City München
Die bayerische Landeshauptstadt gewinnt die Spitzenposition und stürzt Hamburg zum ersten Mal vom Thron. Vor allem in zwei Teilbereichen kann München überzeugen: IT und Kommunikation sowie Verwaltung. Laut Bitkom ist München führend im Breitband- und 5G-Ausbau sowie bei der Glasfaser- und LoRaWAN-Technologie. Die Bayern punkten vor allem damit, dass viele Anliegen der Bürger:innen digital bearbeitet werden können, zum Beispiel im Bereich Elterngeld, Führerschein und Kfz-Zulassung. „Es ist positiv, dass München sein IT-Referat erweitert, um sich attraktiver für digitale Akteure wie Apple, Google und Microsoft zu machen“, erläutert Jochen Stecker, Director National Investment von BNP Paribas Real Estate am Standort München. Das IT-Referat mit seinen etwa 1.400 Beschäftigten verantwortet und gestaltet die gesamte Informationstechnologie der Stadt München und stellt innovative digitale Services zur Verfügung.
Ein Startpunkt der Münchener Smart-City-Strategie war, dass die Stadt 2015 zusammen mit Lyon und Wien den Zuschlag der Europäischen Union für das Projekt „Smarter Together“ erhielt. Hierbei werden über einen Zeitraum von fünf Jahren hinweg intelligente und nachhaltige Lösungen für das Leben in Städten erprobt, die auch in weiteren europäischen Metropolen ausgerollt werden können.
Die Umsetzung der Münchener Smarter-Together-Maßnahmen erfolgten in Freiham und Neuaubing-Westkreuz. Während in ersterem ein komplett neuer Stadtteil entstand, war Neuaubing-Westkreuz mehr Bestands- und Sanierungsgebiet. Ein Beispiel für eine smarte Lösung waren Mobilitätsstationen in der Nähe der S-Bahn-Haltestellen Neuaubing, Westkreuz und Freiham. Hier parken E-Bikes und lastenfähige E-Dreiräder neben Ladestationen für E-Autos. Außerdem werden Quartiersboxen angeboten, die den zusätzlichen Gang zum Supermarkt ersparen. Denn Lebensmittel können dorthin geliefert und in unterschiedlich temperierten Fächern gelagert werden.
Die intelligente Straßenbeleuchtung im öffentlichen Raum ist ein weiteres Projekt von Smarter Together. Die Laternen fungieren neben ihrer Beleuchtungsfunktion als WLAN-Hotspots und potenzielle Parkraumsonden. Außerdem können Umweltdaten, wie beispielsweise Temperatur und Luftfeuchtigkeit aber auch Schadstoffe wie Stickoxide oder Feinstaub gemessen werden.
Ein Ergebnis der Verbesserung der lokalen Mobilität und innerstädtischen Infrastruktur ist, neben der sich bereits seit 2017 im Bau befindlichen zweiten S-Bahn-Stammstrecke, die laufende Umsetzung einer deutlich effizienteren oberirdischen Verkehrsplanung, auch wenn der PKW-Verkehr durch die Maßnahmen bewusst eingeschränkt wird.
Denn die Stadt versucht, den Autoverkehr in der Innenstadt zugunsten des Fahrrads zu reduzieren. So wurden Hauptverkehrsachsen wie beispielsweise die Leopoldstraße mit breiten Fahrradwegen, sogenannten „Fahrradautobahnen“, versehen, indem man die Parkstreifen entlang der Leopoldstraße opferte. Gleiches gilt für innerstädtische Parkflächen wie zum Beispiel am Gärtnerplatz, wo für den PKW-Verkehr die Parkmöglichkeiten deutlich eingeschränkt wurden. Weitere Maßnahmen sind in der Umsetzung, etwa an der Ludwigsbrücke, dem östlichen PKW-Nadelöhr in die Innenstadt.
TEMPUS, das Testfeld für automatisiertes und vernetztes Fahren im Stadtgebiet München, ermöglicht die Erprobung und Evaluierung automatisierter Fahrfunktionen und innovativer Mobilitätsleistungen. Dies betrifft sowohl den Individual- als auch den öffentlichen Personennahverkehr.
„Aufgrund des starken Bevölkerungswachstums in Verbindung mit der bereits sehr hohen Verdichtung im innerstädtischen Raum sind dies Maßnahmen, welche die Zukunftsfähigkeit der bayerischen Landeshauptstadt sichern werden“, erklärt Jochen Stecker zum Abschluss.
Smart City Hamburg
Sicher eine große Enttäuschung für die Hansestadt, die zum ersten Mal ihren ersten Platz räumen muss. Doch Hamburg ist nicht weniger smart geworden, die Stadt bleibt ein Smart-City-Vorbild und hat sich auch weiter verbessert, München habe sich aber schneller entwickelt, betont Bitkom in der FAZ.
Denn die Hansestadt ist schon in vielen Bereichen digital aufgestellt. In den Teilbereichen Mobilität sowie Gesellschaft und Bildung ist Hamburg auf dem ersten Platz. Mobilitätsprojekte stehen in Hamburg mit großem Einzugsgebiet im Mittelpunkt – dazu gehören beispielsweise autonomes Fahren in der HafenCity oder die exzellente Multimodal-App „hvv switch“. Es gibt beispielsweise auch eine intelligente Straßenbeleuchtung, die sich an den tatsächlichen Lichtverhältnissen orientiert und abends heller leuchtet, wenn sich Fahrradfahrer:innen nähern. Auch die Ampelschaltung in Hamburg ist bereits intelligent: Die Verkehrsampeln erkennen, wenn sich Busse oder LKW nähern, und verlängern für sie die Grünphasen.
Doch das Herzstück der Hamburger Smart-City-Strategie ist der Hafen. Dieser soll mithilfe des US-amerikanischen Unternehmens Cisco zu einem Smart Port umgewandelt werden. Eine intelligente Infrastruktur soll es ermöglichen, Waren- und Verkehrsströme möglichst optimal zu leiten. Auch die E-Mobilität soll hierbei weiter ausgebaut werden.
Die Menschen in Hamburg haben ein anderes Bewusstsein dafür entwickelt, wie sie unterwegs sein wollen. Wo früher der Tiefgaragenstellplatz die Norm war, steigen heute vermehrt Mitarbeitende auf das Rad oder den öffentlichen Nahverkehr um. Wir erleben beispielsweise, dass der Dienstwagen immer uninteressanter wird und neue Mobilitätsformen zum neuen Standard werden.
Außerdem werden in vielen neuen Quartiersentwicklungen wie der HafenCity zahlreiche digitale Konzepte erprobt. Mit der Entwicklung des Quartiers Hammerbrooklyn (am Stadtdeich im Hamburger Stadtteil Hammerbrook) sollen im nächsten Jahrzehnt bis zu 60.000 Quadratmeter Fläche für Büroflächen, Labore, Coworking Spaces und Co-Creation-Flächen entstehen. Hier werden verschiedene digitale Technologien vorangetrieben.
Des Weiteren entsteht derzeit auf einem rund 4.200 Quadratmeter großen Grundstück am Amerigo-Vespucci-Platz im Quartier Elbbrücken das EDGE HafenCity Hamburg. Das Projekt am Baakenhafen wurde vom Architekturbüro HENN aus Berlin entworfen und soll nach seiner Fertigstellung 2024 rund 22.500 Quadratmeter Bürofläche bieten. Mieter des Edge HafenCity sind unter anderem die Wirtschaftskanzlei Fieldfisher und das Umweltunternehmen Veolia.
Nach den Maßstäben des niederländischen Projektentwicklers Edge Technologies wird das Objekt vor allem innovativ, energieeffizient und nachhaltig werden. Den Titel Smart Building verdient sich das Gebäude in erster Linie durch das hochmoderne IP (Internet Protocol)-Backbone. Es ist das Rückgrat der Kommunikationsinfrastruktur und die digitale Autobahn des Gebäudes. Alles und Jede:r ist so miteinander verbunden, verkabelt oder drahtlos.
Im Themenbereich Gesellschaft und Bildung erreicht Hamburg auch 2023 fast die höchstmögliche Punktzahl (96,9). Die Stadt überzeugt in dieser Kategorie mit Open-Data- und Geodatenportalen, Bürgerbeteiligung, Fab Labs oder Start-up-Hubs. So gibt es beispielsweise die Urban Data Platform, die IT-Services aus den unterschiedlichsten urbanen Bereichen miteinander verbindet und den automatisierten Datenaustausch ermöglicht. Der einfache Zugang und die hohe Aktualität der Daten ermöglichen in Zukunft also schnelle Analysen und Entscheidungen.
Smart City Köln
Das drittplatzierte Köln stellt sich in Sachen IT & Kommunikation gut auf. Hier wurden mit dem Glasfasernetz und dem Breitbandausbau bundesweit sehr gute Werte erzielt. Insbesondere tragen die abgeschlossenen Projekte des Digitalisierungsprogramms 2019 bis 2022 dazu bei, dass eine Steigerung in der Kategorie Verwaltung um zehn Plätze auf Rang vier erreicht werden konnte. Auch im Bereich Bildung und Gesellschaft konnte sich Köln um neun Plätze auf Rang acht steigern.
Doch welche Projekte machen Köln digital? Hier wurde beispielsweise das Portal www.offenedaten-koeln.de etabliert, in dem über 260 Datensätze aus verschiedenen Kategorien wie Geoinformation, Bevölkerung oder Transport & Verkehr zur Verfügung gestellt werden. Zudem werden im Stadtteil Nippes auf einer sogenannten „Klimastraße“ diverse Energieprojekte getestet. Unter anderem werden hier Straßenlaternen mit LED-Leuchten ausgestattet, um 50 Prozent Strom einzusparen, sowie Ladestationen für Elektroautos und -fahrräder zur Verfügung gestellt, um die Elektromobilität zu fördern. In Köln erfasst außerdem das Mobilitäts-Cockpit Köln (MoCKiii) systematisch Veränderungen der Luftschadstoffe in Verbindung mit dem lokalen Verkehrsaufkommen, um frühzeitig geeignete Gegenmaßnahmen im Bereich Verkehr einzuleiten.
Im April 2023 wurde ein Leuchtturmprojekt der seriellen Sanierung in Köln-Zollstock fertiggestellt. Das Mehrfamilienhaus wurde mit vorgefertigten Fassaden-, Dach- und Technikmodulen saniert und erfüllt bereits heute den Energiestandard, der für Neubauten ab 2025 gesetzlich vorgeschrieben ist. Das Gebäude spart dabei rund 90 Prozent Energie ein und erzeugt mit seiner leistungsstarken Photovoltaikanlage im Jahresdurchschnitt sogar mehr regenerative Energie als die Bewohner:innen für Heizung, Warmwasser und Strom benötigen.
Die Projekte, welche die Städte der Zukunft lebenswerter gestalten sollen, sind sehr unterschiedlich, da jede Metropole vor spezifischen Herausforderungen steht. Dadurch wird deutlich, dass es nicht eine Smart-City-Lösung für alle Städte gibt. Vielmehr muss die Stadtentwicklung jeder Stadt ihren eigenen Weg in der digitalen Transformation finden.
Wir sind gespannt, wer den Pokal 2024 mit nach Hause nehmen darf.