Data Center - Rechenzentrum

ZWISCHEN CLOUD-NACHHOLBEDARF UND KI-ZUKUNFT: DER DEUTSCHE DATA CENTER-MARKT

Die Digitalisierung treibt die Nachfrage nach leistungsfähiger IT-Infrastruktur rasant voran und verändert den Data Center-Markt. Thore Baesgen, Head of Data Center Solutions bei BNP Paribas Real Estate, beleuchtet die aktuellen Entwicklungen, Herausforderungen und Chancen in einem Markt, der sich mitten im strukturellen Wandel befindet. Von Cloud-Nachholbedarf über KI-Potenziale bis hin zu Standortstrategien: Ein Blick hinter die Kulissen eines boomenden Sektors.

Cloud-Boom oder KI-Welle: Was treibt den Data Center-Markt in Deutschland an?

Die Digitalisierung schreitet in allen Branchen voran, und damit wächst der Bedarf an leistungsfähiger IT-Infrastruktur. „Zurzeit sprechen viele von einer KI-Welle. Die Wahrheit ist aber, dass wir in Deutschland einen enormen Nachholbedarf im Cloud-Bereich haben“, erklärt Thore Baesgen. Während beispielsweise in den USA fast alle Unternehmen ihre IT längst in die Cloud verlagert haben, ist Deutschland noch nicht so weit. Das – und nicht das Thema KI – sorgt aktuell für eine anhaltend hohe Nachfrage nach Rechenzentrumsflächen, die sich in den kommenden Jahren weiter verstärken wird. Insbesondere Kapazitäten für KI-Anwendungen, die wir in Deutschland in allen Ballungsräumen brauchen werden, versprechen zusätzliche Nachfrage. Damit wird klar: Der Markt steht nicht vor einer kurzfristigen Spitze, sondern vor einem strukturellen Wachstumstrend.

„Momentan sehen wir in Deutschland noch kein KI-Wachstum, aber das wird kommen, zumindest für KI-Anwendungen.“

Thore Baesgen
Thore Baesgen
Head of Data Center Solutions
Serverraum Data Center

Frankfurt bleibt Hotspot, aber nicht ohne Konkurrenz

Doch wo können diese viel gebrauchten Data Center entstehen? Frankfurt ist und bleibt der wichtigste Data Center-Standort in Deutschland, vor allem wegen seiner hervorragenden Konnektivität und der Nähe zu großen Unternehmen. „Die Region profitiert von ihrer gewachsenen Infrastruktur und dem DE-CIX, einem der größten Internetknoten weltweit“, so Baesgen. Berlin versucht in den letzten Jahren aufzuholen, befeuert auch durch die „Flucht“ aus Frankfurt heraus, da dort Netzkapazitäten fehlen. „Berlin verfügt aktuell jedoch über eine große Pipeline, die noch nicht vollständig absorbiert ist.“ Andere internationale Märkte holen aber auf: So punktet z.B. London mit schnelleren Genehmigungen oder Standorte in Südeuropa mit günstigeren Stromkosten.

„Der Wettbewerb wird härter, und Geschwindigkeit wird zum entscheidenden Faktor.“

Thore Baesgen
Head of Data Center Solutions

Für DC-Betreiber und Investor bedeutet das: Wer in Deutschland erfolgreich sein will, muss nicht nur Flächen sichern, sondern auch Prozesse beschleunigen und innovative Standortkonzepte entwickeln. Frankfurt wird zwar weiterhin das deutsche Flaggschiff bleiben, aber die Karten im europäischen Vergleich könnten neu gemischt werden.

Die vier größten Bremsklötze: Strom, Fachkräfte, Genehmigungen und Flächen

Trotz hoher Nachfrage gibt es aber massive Hürden, die den Ausbau bremsen. „Erstens sind die Strompreise in Deutschland extrem hoch, das macht uns im internationalen Vergleich unattraktiv“, sagt Baesgen. Zweitens fehlen Fachkräfte: „Die Branche wächst rasant, aber wir haben nicht genug Spezialisten für Bau, Betrieb und Netztechnik.“ Drittens dauern Genehmigungen zu lange: „Von der Idee bis zur Inbetriebnahme sind wir in Deutschland viermal so langsam wie in den USA.“

Auch die verfügbaren Flächen, auf denen Rechenzentren entstehen dürfen und können, bilden zunehmend ein Problem. So sind im Frankfurter Stadtgebiet quasi keine Flächen mehr verfügbar, und auch die Stromversorgung stößt an ihre Grenzen. „Die Entwicklung verlagert sich in einen 70-Kilometer-Radius um Frankfurt“, erklärt Baesgen. Doch selbst dort gibt es kaum noch Greenfield-Grundstücke. Brownfield-Areale bieten hier die besten Chancen: „Ehemalige Industrieflächen sind ideal, weil sie oft schon über leistungsstärkere Netzanschlüsse verfügen und sich für nachhaltige Konzepte eignen.“ Diese Standorte bieten nicht nur Platz, sondern auch die Möglichkeit, Abwärme sinnvoll zu nutzen, etwa für die Versorgung angrenzender Quartiere, wie es das CyrusOneProjekt FRA7 in Frankfurt-Griesheim vormacht. Damit werden Rechenzentren vom vermeintlichen Energiefresser zum Enabler für nachhaltige Stadtentwicklung. Für Kommunen eröffnet das Chancen, brachliegende Flächen zu reaktivieren und gleichzeitig die digitale Infrastruktur zu stärken.

Neue Parameter: Megawatt statt Quadratmeter

Es zeigt sich: Data Center werden auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen und sind entscheidend für unsere digitale Infrastruktur. Kein Wunder, dass sich für diese neue Assetklasse viele Investoren interessieren. Aber ein Rechenzentrum ist kein einfach zu verstehendes Investment, die klassische Immobilienlogik stößt im Data Center-Segment an ihre Grenzen. Während bei Büro- oder Logistikimmobilien Kennzahlen wie Quadratmeter und Mietpreis dominieren, zählt bei Rechenzentren vor allem die verfügbare elektrische Leistung. „Die wichtigste Kennzahl ist die IT-Last in Megawatt, sie bestimmt die Ertragskraft eines Standorts“, erklärt Baesgen. Diese IT-Last, auch „IT Load“ genannt, gibt an, wie viel Rechenleistung ein Data Center tatsächlich bereitstellen kann. Sie ist vergleichbar mit der Mietfläche in der klassischen Immobilienwelt, nur dass hier nicht die Größe des Gebäudes, sondern die Kapazität der Stromversorgung den Wert definiert. Für Investoren bedeutet das, dass traditionelle Bewertungslogiken nicht mehr greifen. Statt Mietfläche und Quadratmeterpreisen zählen heute Energieverfügbarkeit, Netzanschluss und Skalierbarkeit.

Ob Flächenmangel, Energieversorgung oder Genehmigungen – die nächsten Jahre werden zeigen, wie flexibel und innovativ die Politik und der Immobilienmarkt auf die Anforderungen der Data Center-Branche reagiert.

Thore Baesgen
Thore Baesgen
Head of Data Center Solutions Germany

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