Umnutzung in Deutschland

UMNUTZUNG IN DEUTSCHLAND: WAS PASSIERT MIT LEERSTEHENDEN BÜROS?

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Manche Bürogebäude erfüllen nicht mehr die neuesten Anforderungen an Flexibilität und Nachhaltigkeit. Der Leerstand steigt. Gleichzeitig fehlt Wohnraum in deutschen Städten, vor allem in den Metropolregionen. Daher entbrennt immer wieder die Diskussion, ob Büros nicht einfach in Wohnen umgewandelt werden können. Doch das ist oft einfacher gesagt als getan. Woran das liegt, und ob Konversionen in andere Assetklassen einfacher gelingen, erfahren Sie im neuen Beitrag mit Head of Research Inga Schwarz und Managing Director Oliver Barth.

Leerstehendes Büro = neuer Wohnraum?

Homeoffice ist Teil der neuen Arbeitswelten geworden, Zentralität und Standort werden wieder wichtiger und nicht zuletzt die neuen ESG-Regulierungen der EU: „Grundsätzlich gibt es viele Gründe, warum die Konversion von Bürogebäuden wieder mehr an Bedeutung gewinnt“, verrät uns Inga Schwarz am Anfang des Gesprächs. Oliver Barth ergänzt: „Der Gedanke, was aus den leerstehenden oder nicht mehr ganz so modernen Büros werden könnte, beschäftigt zurzeit viele Eigentümer. Und wird es auch in Zukunft vermehrt tun, gerade aus Gründen der Nachhaltigkeit.“ Wir wollen uns daher mit beiden Expert:innen verschiedene Konversions-Beispiele anschauen. In welche Assetklassen werden Büros umgewandelt und wo liegen die Herausforderungen? Beispiele gibt es viele, doch wir wollen uns auf diejenigen konzentrieren, die auf den Abriss verzichten.

Diese Formen von Büro-Umnutzung finden sich in Deutschland:

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Büroimmobilie wird zur Wohnimmobilie

„Die Diskussion um die Umnutzung von Büroflächen ist nicht neu“, berichtet Barth und nimmt uns mit auf eine (historische) Reise in das Frankfurt der 1960er-Jahre. Dort wurde im Frankfurter Süden die Bürostadt Niederrad entwickelt. Diese war – ähnlich wie die Hamburger City Nord – ein typischer Backoffice-Standort mit einer ausgeprägten Monostruktur. Renommierte Architekten wie Egon Eiermann schufen hier markante Bürohäuser. Namenhafte Unternehmen aus der deutschen Wirtschaft ließen sich über die Jahre in der Bürostadt nieder: Deutsche Bahn, Hochtief, Siemens und Nestlé waren nur einige Beispiele. Doch Ende des 20. Jahrhunderts beziehungsweise Anfang des 21. Jahrhunderts entstanden neue Bürotürme in der Frankfurter Innenstadt und auch der Flughafen und andere Lagen konnten zunehmend mit attraktiven und moderneren Büroflächen aufwarten. Eine starke Konkurrenz für die Bürostadt Niederrad mit ihrer eingeschränkten Nahversorgungsinfrastruktur. „Ende der 1990er-Jahre war die Leerstandsrate in Niederrad so hoch, dass ein Umdenken unabdingbar war“, erklärt Oliver Barth und zeigt das Bild eines Hochhauses. Dieser 15-stöckige Büroturm an der Lyoner Straße 19 wurde nach Plänen des Frankfurter Wohnarchitekten Stefan Forster entkernt, aufgestockt und in ein attraktives Hochhaus mit 98 Wohnungen umgewandelt. Dieser Turm gilt als erster Baustein der Transformation in Niederrad. Parallel wurde das Baurecht entsprecht angepasst, sodass Wohnen jetzt in weiten Bereichen zulässig ist. Die ehemalige Bürostadt Niederrad ist mittlerweile ein 144 Hektar großes Mischgebiet, das auch attraktiven Wohnraum bietet und seit 2017 den Namen Lyoner Quartier trägt. „Dieses Projekt kann auch als Startpunkt der Konversions-Debatte verstanden werden, auch über Niederrad und Frankfurt hinaus“, weiß der Büro-Experte und nennt noch weitere Beispiele, von denen wir nur einige aufgreifen. In Niederrad wird zurzeit beispielsweise geplant, das aus den 1970er-Jahren stammende Nestlé-Areal in der Lyoner Straße 23 zu einem attraktiven Lebensquartier umzuwandeln, bei dem Wohnen und Arbeiten miteinander verbunden werden. Doch auch in anderen Städten passiert einiges in Sachen Umnutzung von Büro in Wohnen. So wurde beispielsweise mit dem Living Circle in Düsseldorf das ehemalige Thyssen-Trade-Center zu 340 Mietwohnungen, einer Kita und Geschäften für die Nahversorgung umgenutzt.

Doch die Konversion in Wohnraum gestaltet sich auch vor dem Hintergrund der teilweise sehr starren und komplexen Vorgaben der Genehmigungsbehörden oft schwierig und ist mit hohen Investitionen verbunden. „Nicht jede Immobilie eignet sich für eine Konversion, je nach Assetklasse müssen strenge Richtlinien beachtet werden, beispielsweise bei der Statik, dem Treppenhaus, der Stellplätze etc. Oftmals passt es auch nicht im Hinblick auf Infrastruktur oder Standort“, erklärt Oliver Barth und fährt fort: „Daher rentiert sich oft die Konversion nicht, gerade für den Wohnbereich. Lagerflächen und Rechenzentren können aber durchaus eine attraktive Alternative bilden, und auch für sogenannte Long-Stay-Konzepte im Bereich der Serviced Apartments eröffnen sich Möglichkeiten.“

Olivetti Türme

Auch die Olivetti Türme in Frankfurt Niederrad  sollen umgenutzt werden. Der Projektentwickler QUARTERBACK Immobilien AG aus Leipzig plant den Olivetti Campus. Dabei wird das denkmalgeschützte Hochhaus-Duo ergänzt durch mehrere Neubauten.

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Büros werden zu Schulen

Seit einiger Zeit wird auch verstärkt auf die Umnutzung von Büros in Schulen gesetzt. „Aktuell werden einige Projekte in Frankfurt am Main realisiert und vorangetrieben“, weiß Oliver Barth. So plant die Stadt in den Lateral Towers im Stadtteil Hausen, welche einst von der Deutschen Börse und zuletzt von der Commerzbank genutzt wurden, zwei Gymnasien für jeweils 1.600 Schüler:innen unterzubringen. Bis 2026 sollen die Gebäude umgebaut werden. Ein weiteres Projekt befindet sich an der Eckenheimer Landstraße 240-246. Hier soll das 2,5 Hektar große Areal, das früher von der Postbank und von einem Tochterunternehmen der Deutschen Bank genutzt wurde, in Zukunft eine vier- und eine sechszügige integrierte Gesamtschule beherbergen. Der Bürobau wurde im Jahr 1986 gebaut und ist denkmalgeschützt. Das Einzugsdatum wird vorsichtig mit Ende der 2020er Jahre angegeben. Zuletzt sei noch eine Umwandlung im Frankfurter Süden genannt. Hier wird gegenwärtig ebenfalls ein Bürogebäude für die Unterbringung von zwei Schulen umgebaut.

Auch die Stadt Köln setzt auf die Umnutzung von Büros in Schulen. Ein Pilotprojekt erhält dabei bundesweite Aufmerksamkeit und hat sogar den imAward 2024 gewonnen. Dabei wurde die 19.000 Quadratmeter große ehemalige Unitymedia-Zentrale in ein Gymnasium umgewandelt. Die Umbauarbeiten waren aufwändig, denn Schulen unterliegen aufgrund ihrer Nutzung strengen Richtlinien in puncto Sicherheit und Gesundheit, die von denen für Bürogebäude abweichen. So wurden aufgrund des Brandschutzes die bestehenden Treppenhäuser verbreitert und zusätzliche Fluchttreppen angebaut. Zudem wurde eine komplett neue Lüftungsanlage, die Frischluft zuführt und wieder ableitet, installiert. Für den Schallschutz zur Aachener Straße hin wurde eine zusätzliche Fensterfront hinter die bereits bestehende gesetzt. „Das Besondere an diesem Projekt ist die Kooperation der Stadt mit Privatunternehmen, in diesem Fall der HIH Invest Real Estate“, weiß Inga Schwarz und erklärt auch gleich die Vorteile für Unternehmen bei dieser Zusammenarbeit: „Ein derartiges Engagement bietet Investoren langfristige Stabilität und sichere Mieteinnahmen, aber auch die positive soziale Komponente spielt hier eine nicht zu unterschätzende Rolle.“ Von Beginn an strebte die Stadt eine langfristige Partnerschaft an, sodass Mietverträge über 20 oder 30 Jahre laufen – in diesem Fall hat die Stadt die Räume für 30 Jahre angemietet. Anschließend besteht ein Vorkaufsrecht für die Stadt. „Der Schulbetrieb wurde im Sommer 2023 aufgenommen,“, schließt Inga Schwarz das Thema ab.

© Gebäudewirtschaft der Stadt Köln / Thilo Schmülgen

Die 19.000 Quadratmeter große ehemalige Unitymedia-Zentrale in Köln wurde erfolgreich in ein Gymnasium umgewandelt.

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Hotel oder Long Stay-Konzepte statt Büro

Neben Schulen kommen auch Mikro- und Serviced Apartments bei der Umnutzung alter Bürogebäude in Frage. So wurde zum Beispiel das leerstehende siebengeschossige Carat Büro-Center in Frankfurt-Bockenheim in ein Apartmenthaus mit 144 Apartments der Marke HVNS umwandeln. „Die 10.600 Quadratmeter eigneten sich sehr gut für die Umnutzung. Es entstanden 26 bis 50 Quadratmeter große, vollständig eingerichtete Apartments mit Küche und Bad“, erklärt Oliver Barth. „Doch auch Neubauten können sich für eine Konversion, unter Berücksichtigung technischer Voraussetzungen, eignen“, verrät Inga Schwarz. Ein bekanntes und aktuelles Beispiel stammt dabei aus Berlin. Dort wurde das Mizar Gate Office (MGO) als Büroensemble mit drei Gebäuden geplant und entwickelt. Das Projekt liegt im Stadtteil Neu-Schönefeld und somit direkt am neuen Großflughafen BER und wurde modern konzipiert. Obwohl die Fertigstellung erst 2021 erfolgte, wird es zurzeit umgebaut. Die Novum Hospitality Gruppe hat im März 2023 langfristig zwei der insgesamt drei Einzelgebäude mit ca. 12.400 Quadratmetern gemietet. In Haus C entstehen unter der Longstay-Marke "acora Living the City" 175 Serviced-Apartment-Einheiten. Im Haus A wird sich in Zukunft das Lifestyle-Designhotel "the niu Pax" mit 150 Zimmern befinden. Das dritte Einzelgebäude, Haus B, wird als Bürogebäude genutzt und ist nahezu vollvermietet. Gesamthaft entsteht so ein modernes, gemischt genutztes Gewerbequartier verteilt auf drei Baukörper.“

 

Mizar Gate Office (MGO)

© DIE Deutsche Immobilien Entwicklungs AG


Mizar Gate Office (MGO)

Das Mizar Gate Office (MGO) wurde als Büroensemble mit drei Gebäuden geplant und entwickelt. In Zukunft wird aber nur Haus B als Bürogebäude genutzt.

Fazit: Ist die Büro-Umnutzung in Deutschland ausbaufähig?

Die Umnutzung einer Büroimmobilie ist komplex und mit hohen Kosten verbunden, vor allem wenn im Bestand umgebaut, also auf den Abriss verzichtet werden soll. „Auch wenn es aus Sicht der Nachhaltigkeit wünschenswert wäre, ist der Abriss zurzeit leider oft der rentablere Weg“, berichtet Oliver Barth. Gerade wenn für eine Neuvermietung von Büroimmobilien in weniger nachgefragten Lagen sowieso umfangreiche Modernisierungsinvestitionen erforderlich sind, stellt sich durchaus die Frage, ob eine Umnutzung mindestens ebenso hohe Mieterträge, aber vor allem eine höhere Vermietungschance und langfristig gesicherten Ertrag bietet. In diesen Fällen ist eine Refinanzierung der Maßnahmen auch oft einfacher, zum Beispiel in Form eines Exits auf dem Investmentmarkt.

„Zudem löst der Umbau in Wohnen nicht das Problem des bezahlbaren Wohnraums, denn oft ist eine Konversion mit sehr hohen Investitionskosten verbunden, sodass keine besonders günstigen Mieten erreicht werden können“, erklärt Barth am Ende des Gesprächs. Ein wenig anders gestaltet sich das im Bereich Long Stay, weiß Inga Schwarz: „Hier läuft alles unter gewerblichem Wohnen und bleibt damit in derselben Bebauungsplan-Kategorie. Nicht zuletzt ist das Mietniveau im Bereich der Mikro- und Serviced Apartments deutlich höher als auf dem freien Wohnungsmarkt für Mietwohnungen.“

Grundsätzlich bietet die aktuelle Marktphase jedoch eine große Chance, Monostrukturen aufzubrechen und verschiedenen Nutzungsformen, die sich gegenseitig befruchten können, zu einem pulsierenden und lebenden Standort zusammenzuführen. Eine Umwandlung leerstehender Büroflächen in Wohnflächen ist pauschal nicht immer die beste Lösung, in zahlreichen Fällen aber durchaus wirtschaftlich interessant.

Inga Schwarz
Head of Research
Als Head of Research leite ich das Research-Team von BNPPRE in Deutschland und blicke auf mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Immobilienwirtschaft zurück. In meiner Funktion trage ich wesentlich dazu bei, die bundesdeutschen Immobilienmärkte für Kunden transparenter zu machen. Mit meinem Fokus auf strategisches Research und durch das effektive Erheben sowie die gezielte Analyse von Daten gelingt es mir gemeinsam mit meinem Team, Trends und Entwicklungen frühzeitig aufzuspüren und intelligent zu platzieren. Die Unterstützung der bundesweiten BNPPRE-Transaktionskollegen in ihren Beratungsmandaten gehört darüber hinaus zu meinem Kerngeschäft.
Consulting & Valuation
Oliver Barth
Oliver Barth
Managing Director / Head of Office Advisory
Transaction

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