Proptechs erobern die Immobilienwelt

Laut einer gemeinsamen Studie von ZIA und EY Real Estate zum Einsatz digitaler Technologien in der Immobilienwirtschaft liegt der Fokus immobilienwirtschaftlicher Unternehmen auf der Effizienzsteigerung der Kernprozesse. Und genau hier setzen Start-ups und junge, auf Digitalisierung ausgerichtete Unternehmen innerhalb der Immobilienwirtschaft an. So richten sich die Angebote der Mehrzahl aller Proptechs aktiv an den institutionellen Endverbrauer und haben damit einen starken B2B-Fokus.

„Die Politik stellt die Wohnungswirtschaft aktuell vor große Herausforderungen. Um diese meistern zu können, ist die Anwendung neuer Technologien maßgeblich. Proptechs sind hier eine alternative Unterstützung – vor allem aber bieten sie Lösungsansätze für viele Probleme.“

Nikolai Roth
Vorstandsvorsitzender German PropTech Initiative e.V.

Wir stellen 3 der spannendsten Projekte für das B2B-Wohnsegment vor:

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SYTE: Bebaubarkeitsanalysen per KI

Sind Nachverdichtung oder Neubau wirtschaftlich darstellbar? Einen Indikator dafür liefert die Künstliche Intelligenz (KI) von SYTE. Die erst seit Mitte 2021 auf dem Markt aktiven Münsteraner:innen ermöglichen Immobilienentwicklern eine schnelle und kostengünstige Einschätzung zur Bebaubarkeit von Grundstücken. SYTE berechnet auf Knopfdruck komplette Potenzialanalysen und nutzt dazu von Behörden und Ämtern verfügbare Informationen (wie Daten zu Flurstücken und Nachbarbebauungen). Und das bald komplett automatisiert und in Echtzeit. Nach Angaben des Start-ups werden für vergleichbare Tätigkeiten mehrere Werktage Arbeitszeit benötigt, meistens ausgeführt von fachkundigen Mitarbeiter:innen. Für Bauträger ergäben sich dadurch Effizienzgewinne – oft in erheblichem Maße.

„Wir glauben, dass es in Zukunft wichtiger wird, sich mit dem Bestand auf den anvisierten Grundstücken auseinanderzusetzen, hier ist eine zeitsparende Ersteinschätzung der Baumasse und der Oberflächen umso wichtiger.“

David Nellessen & Matthias Zühlke
Syte Geschäftsführer

Das Vorgehen für Nutzer:innen ist einfach gehalten: Mit der Eingabe einer Adresse zeigt SYTE an, welche Potenziale zur Bebaubarkeit das jeweilige Grundstück bietet. Dazu werden BGF, GRZ, GFZ und Mietfläche angegeben, für deren Berechnung auf eine Vielzahl unterschiedlicher AI-Daten zurückgegriffen wird. Ob beispielsweise der Kauf eines unbebauten Grundstücks in den individuellen Wirtschaftlichkeitsgedanken ertragreich ist, kann so binnen Sekunden abgeschätzt werden. Zusätzlich stellt das Produkt eine detaillierte Wirtschaftlichkeits- und Potenzialanalyse zur Verfügung. Mit Grundstückskosten pro Quadratmeter, den avisierten Mieteinnahmen sowie Baukosten und Fördermitteln können genaue Angaben zur Rendite bei Vermietung und Verkauf geliefert werden. Bei der Berechnung der Baukosten kann unter anderem zwischen verschiedenen Nutzungsarten der Flächen unterschieden werden. Dies ist dann auch ein Bestandteil der automatischen Mieteinnahmenberechnung. Entwicklern wird mit der Wirtschaftlichkeits- und Potenzialanalyse eine breite tabellarische Kalkulationsgrundlage geboten, die bei der Entscheidung über eine Grundstücksakquisition hilfreich ist.

Als Zusatzprodukt bietet SYTE die Suche nach bebaubaren Grundstücken nach individuellen Parametern an. Sucht ein Projektentwickler beispielsweise eine Liegenschaft im Großraum Bonn, auf der mindestens 30 Wohnungen errichtet werden sollen und sich Supermärkte in fußläufiger Umgebung befinden, liefert das Produkt eine Liste möglicher Flurstücke. Diese Suche kann beliebig um Einwohnerzahl, Verkehrsanbindung und weitere Parameter erweitert werden.

SYTE spart Projektentwicklern Zeit und Kosten, wenn es um die Evaluierung von Bebaubarkeiten geht. Anstatt bis zu fünf Tage für die Beplanung und Machbarkeitsanalyse einberechnen zu müssen, liefert die AI die Berechnung in Echtzeit. Verfügbar ist der Service bisher nur im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen; das Proptech befindet sich in einer starken Wachstumsphase und wird im dritten Quartal 2022 weitere Bundesländer freischalten.

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ALASCO: effiziente Budgetplanung im (Neu-)Bau

Nach ausgiebiger Grundstücksprüfung sowie dem -ankauf beginnt die Planungsphase. Und damit stehen zumeist die Projektfi nanzen im Fokus, die effi zient vorbereitet und kalkuliert werden müssen. Bereits seit 2018 unterstützt ALASCO das Kostenmanagement von Immobilienentwicklern inklusive der Berechnung von Erlösen und ESG-Daten. Das übersichtliche Dashboard erleichtert Projektbeteiligten die Zusammenarbeit und Kommunikation. Stakeholder wie Controlling, Vertrieb und Bauleitung erhöhen ihre Informationssymmetrie untereinander und fällen ihre Entscheidungen auf Basis von aktuell gehaltenen Daten. Dadurch sinkt die Fehleranfälligkeit. Nach Angaben des Münchener Start-ups beträgt die Zeitersparnis durch Automatisierung 70 % bei Rechnungsfreigaben und 50 % im Auftragsmanagement. Live-Prognosen und Erlösmanagement steigern kosteneffi zientes Arbeiten und Bauen. Die Plattform ist auch von unterwegs als mobile Version nutzbar. Das erhöhte Maß an Kontrolle unterstützt effi zienteres Bauen damit sowohl bei der Planung im Büro als auch spontan im Einsatz auf der Baustelle selbst.

"Als Team verfolgen wir das große Ziel, die Immobilienbranche auf Augenhöhe mit anderen Industrien zu bringen."

Anselm Bauer-Wohlleb, Benjamin Günther, Sebastian Schuon
Geschäftsführer der Alasco GmbH

Mit ALASCO müssen Entwickler ihre Projekte nicht weiter mit Excel planen, das durch die Integration von zu vielen Variablen und aufwändigen Eintragungen von Positionen schnell unübersichtlich werden kann. Die Plattform der Münchener Gründer, die bereits am Aufbau von Personio beteiligt waren, weiß nicht nur, wie teuer der gebaute Quadratmeter am Ende ist. Hinzu kommt eine passgenaue Einschätzung des verbrauchten CO², um beim Bau jederzeit einen Überblick zur Nachhaltigkeit liefern zu können. Dies sei schon heute bei Finanzierungsfragen ebenso wichtig wie der eigentliche Unternehmenskontostand und somit auch für Entwickler, die bisher weniger vor Herausforderungen bei der fi nanziellen Bauplanung standen, ein nachhaltiger Gewinn. Das Tool erweitert also im Handumdrehen die Entscheidungsbasis zu jeder Zeit des Projekts. Auch Handwerker:innen profi tieren von ALASCO: In der teils digitalisierungsskeptischen Branche dauert es oft Monate, bis Rechnungen bezahlt werden. Die verbesserte Übersicht auf Seiten der Bauleitung schafft Grundlagen für schnellere Zahlungstransfers. Ein schnellerer Rechnungslauf wiederum hat positiven Einfl uss auf die Budgetplanung auf Developer-Seite. Eine Win-win-Situation für zwei Partner, die bei Projekten stets fair an einem gemeinsamen Ziel arbeiten.

Mittlerweile nimmt das Start-up auch Sanierungsprojekte näher in den Blick. Nachdem einige der über 200 Kunden selbst begannen, Entwicklungsprojekte im Bestand mit der SaaS-Software zu planen, wurden weitere Funktionen für diesen Bedarf hinzugefügt. Erst Anfang 2022 konnte ALASCO unter anderem dafür erneut ein Funding in Millionenhöhe abschließen. Mit weiteren 40 Mio. US-Dollar von den Venture-Capital-Gebern Insight Partners und der Private-Equity-Plattform Lightrock möchte das Unternehmen die Digitalisierung der Immobilienbranche vorantreiben. Über 100 Mitarbeitende sind bei ALASCO angestellt. Tendenz: steigend.

Kunden sollen künftig den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie digital managen können.

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metr: dank Heizungswächter nachhaltig Heizkosten sparen

Potenziale zur Einsparung von Energie und Kosten liegen in Bestandsgebäuden vor allem in den Heizungsanlagen. metr hat sich sowohl die Effizienzsteigerung durch Reduktion des Energiebedarfs als auch die Prozessoptimierung zur Aufgabe gemacht. Die möglichen Reduktionen der Kosten lassen sich direkt auf der Webseite unter metr.systems berechnen.

Nach Angaben von metr sind in Deutschland in 85 % der Bestandsgebäude technische Anlagen verbaut, die nicht auf dem neusten Stand der Technik oder gar veraltet sind. Auch im Betrieb selbst gibt es Optimierungspotenziale: Digitalisierung kann die Energieeffizienz der Gebäude nachhaltig verbessern und CO²- Emissionen reduzieren. Dabei bringt bereits das Heizungsmonitoring Einsparungen von bis zu 15 % mit sich. Eine Fernüberwachung kann Fehler zwar nicht automatisch ausschließen, warnt aber bei der Überoder Unterschreitung von vorher definierten Schwellenwerten. Die Gefahr von Folgeschäden ist dadurch ebenfalls geringer. Je früher Störungen erkannt und behoben werden, desto umweltfreundlicher und wirtschaftlicher.

Der Heizungswächter von metr ermöglicht darüber hinaus Einsparungen in einem Bereich, den Property Manager oft unterschätzen. Denn eine ordnungsgemäße Fernüberwachung führt dazu, dass Techniker:innen schon aus der Ferne wissen, welches Problem im Heizungssystem aufgetreten ist. Oft erübrigt sich dann eine Fahrt zum Gebäude oder, im besten Fall, notwendige Ersatzteile können direkt beim ersten Besuch mitgebracht und eingebaut werden. Je nach digitaler Verknüpfung der zuständigen Dienstleister:innen können die notwendigen Arbeiten direkt an den Fachbetrieb weitergeleitet werden, was wiederum Abstimmungsaufwand und Kommunikation verringert. Lohnenswert ist der Einsatz von metr vor allem dann, wenn der Anlagenbestand heterogen ist. Die Lösung funktioniert für alle Heizungsanlagen, unabhängig vom Alter, dem Hersteller und dem Modell. Unterstützung im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit erhalten damit vor allem institutionelle Investoren, die ihren Blick in Richtung Zukunft gewandt haben.

Dieser Artikel ist Teil der Reihe City Report Wohnimmobilien

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Fotos / Visualisierungen: Maklaro GmbH; SYTE GmbH & Maurizio Nientiedt; Alasco GmbH; BILDSCHOEN Trenkel; metr

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