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NEUE BÜROFORMEN – WAS IST EIN IMMUNE OFFICE?

Dass ein Büro heute mehr sein muss, als nur ein Ort zum Arbeiten, würde wahrscheinlich fast jede:r unterschreiben. New Work ist längst nicht mehr nur ein Modewort, sondern wird als ganzheitliches Konzept bereits in vielen Unternehmen umgesetzt. Nicht zuletzt hat die Corona-Pandemie den Trend verstärkt, dass überholte Bürokonzepte aufgebrochen wurden und das Thema Gesundheit weiter in der Arbeitswelt in den Fokus gerückt ist. Über standardisierte Hygienekonzepte und hybride Arbeitsmodelle hinaus entstehen Bürokomplexe, die den Well-being-Aspekt für Mitarbeitende auf jeder Ebene ernst nehmen – ein Beispiel: das sogenannte „Immune Office“. Was das genau ist, und wie relevant Well-being und Gesundheit im Büro sind, haben wir im Interview mit Claudia Zoric, Senior Director Assetmanagement bei Rock Capital Group und Stefanie Eisenbarth, Head of Project Solutions bei BNP Paribas Real Estate, besprochen.

Immune Office Außenansicht
Immune Office Außenbereich

In Aschheim-Dornach bei München steht mit 41.800 Quadratmetern Deutschlands erstes Immune Office: das HEADS. Es ist die Reaktion des Projektenwicklers Rock Capital Group auf die neuen Herausforderungen der Arbeitswelt. 

Frau Zoric, was steckt hinter Deutschlands erstem Immune-Office? Wie sind Sie auf die Idee gekommen? Können Sie uns mehr über die Hintergründe zum HEADS erzählen?

Claudia Zoric: Auf die Idee kamen wir ehrlich gesagt unfreiwillig. Ursprünglich war geplant, das Gebäude für Wirecard als neuen Hauptsitz umzubauen. Mit der Insolvenz des Unternehmens hatten wir plötzlich keinen Hauptmieter mehr – dafür aber einen riesigen Bürokomplex. Als ob das nicht gereicht hätte, kam noch die Corona-Pandemie dazu. Wir standen vor zwei Fragen: Was machen wir mit dem Komplex? Und: Braucht überhaupt noch jemand ein Büro? Diese Fragestellungen haben uns gezwungen, die über 40.000 Quadratmeter große Fläche komplett neu zu überdenken. Mit jedem neuen Tag des ersten Lockdowns kamen neue Ideen. So wurde das Konzept geboren, aus dem HEADS Deutschlands erstes Immune Office zu machen.

Steffi, sind Dir in Deiner täglichen Arbeit ähnliche Projekte untergekommen? Kanntest Du dieses Konzept bereits?

Stefanie Eisenbarth: Überlegungen, dass das Büro mehr sein kann als nur der reine Arbeitsplatz, gibt es schon länger. Doch bisher war dies meistens den großen Konzernen vorbehalten, die in ihren Campus-Strukturen ganzheitlich darüber nachdenken mussten und konnten, welche Anforderungen sich im Büroalltag stellen. Das hat sich mit der Pandemie um 180 Grad gedreht; Großmieter, die ein ganzes Gebäude wie das HEADS komplett nutzen, sind tatsächlich derzeit nicht mehr vorhanden. Auch das Thema Wohlbefinden hat bereits vor der Pandemie viele Unternehmen beschäftigt. Dabei ging es vorrangig noch um höhenverstellbare Schreibtische, einen Obstkorb oder eine präsenzorientierte Lichtsteuerung. Der Umfang des Immune Office als zentrales Konzept ist jedoch neu.

Frau Zoric, was sind genau die technischen Besonderheiten, die das HEADS als „Immune Office“ ausweisen?

Zoric: Neben einer hochmodernen, virenfreien Lüftungstechnik beinhaltet das HEADS auf Wunsch eine Firewall aus UV-C-Licht. Allein die Grippesaison und Erkältungskrankheiten kosten die Volkswirtschaft jährlich Milliarden Euro. Deswegen war unser Ziel, Krankheitsübertragungen durch Aerosole bestmöglich zu reduzieren. Als besonders effizientes Gegenmittel nutzen wir eine Kombination aus Luftfiltern und geschlossenen Luftsterilisatoren mit UV-C-Licht. Erst werden Krankheitspartikel aus der Luft gefiltert und dann mittels UV-C-Licht unschädlich gemacht. Zur Belüftung dienen reine Außenluftanlagen, um eine Vermischung mit virenbelasteter Abluft zu vermeiden. Die Lüftungsanlagen werden mit Wärmetauschern ausgestattet, welche die Energiekosten senken und durch vergrößerte Lamellenabstände und weitere konstruktive Merkmale zur verbesserten Reinigungsfähigkeit und damit zur Gesundheit beitragen. Die konsequente Verwendung von Luftfiltern der Klasse 9 reduziert pathogene Keime in der Luft deutlich im Vergleich zum üblichen Bürostandard. Wir bieten damit Krankenhausstandard für das Büro. Weil steigende Luftfeuchte das Wachstum von Keimen begünstigt, enthalten die Lüftungsanlagen zusätzlich eine Entfeuchtungsfunktion. Die kontaminationsfreie Wärmerückgewinnung setzt außerdem auf ein Kreislaufverbundsystem statt auf übliche Rotationswärmetauscher. Damit bleibt die Luft im Gebäude reiner als in herkömmlichen Büros.

Uns war von Anfang an klar, dass Gesundheit mehr bedeutet als saubere Luft. Daher haben wir die Gestaltung neu gedacht, um ein Höchstmaß an Aufenthaltsqualität zu erreichen. Gesundheit durch Wohlfühlen sozusagen.

Claudia Zoric Immune Office
Claudia Zoric
Senior Director Assetmanagement bei Rock Capital Group
Steffi, was kann Gesundheit im Büro bedeuten? Wie gelingt mentale Gesundheit am Arbeitsplatz?

Eisenbarth: Wohlbefinden und Gesundheit sind ein zentrales Element im Büro. Neben den bereits genannten Ausstattungsthemen wie dem höhenverstellbaren Tisch, dem individualisierbaren Bürostuhl oder dem Ansatz des Activity Based Working bieten viele Unternehmen heute eine Vielfalt an unterstützenden Maßnahmen und Aktivitäten. Zudem sind Online-Kurse zu Bewegung, Yoga, Rückentraining oder Augengymnastik eine Möglichkeit, die Gesundheit am Arbeitsplatz zu fördern. Zusätzliche Angebote zu Ernährungsberatung, gemeinsames Kochen und der klassische Obstkorb ergänzen die Bandbreite. Auch lohnt sich ein Blick auf das Umfeld und die Infrastruktur rund um die Bürofläche. Gibt es eine Vielfalt an Angeboten zur Mittagszeit (z.B. Restaurants, Supermarkt, Imbissbuden) oder vielleicht das Fitnessstudio ums Eck und den Park für einen Spaziergang in der Mittagspause? Haben die Mitarbeitenden die Möglichkeit, den Blick nach draußen schweifen zu lassen und dabei idealerweise ins Grüne zu blicken?

Frau Zoric, welche weiteren Konzepte haben Sie für Gesundheit im HEADS angewandt?

Zoric: Uns war von Anfang an klar, dass Gesundheit mehr bedeutet als saubere Luft. Daher haben wir die Gestaltung neu gedacht, um ein Höchstmaß an Aufenthaltsqualität zu erreichen. Gesundheit durch Wohlfühlen sozusagen. Die Gestaltung der öffentlichen Plätze stammt von der Ippolito Fleitz Group, einem der renommiertesten Interior-Design-Büros in Deutschland, mit Sitz in Stuttgart und weltweiten Niederlassungen und Projekten. Nachdem die Designer Hand angelegt haben, verfügt unser Quartier über vier Atrien, die eine enorme Aufenthaltsqualität für die Nutzer mit sich bringen. Zwei Atrien sind offene Innengärten, zwei weitere sind geschlossene Ganzjahresgärten. Jedes Atrium hat seine Besonderheiten wie beispielsweise Spazierwege, Wasserspiele, grüne Rückzugsbereiche und Bäume. Biophilic Design ist bei uns mehr als eine Mooswand. Es wird im HEADS mehr als 1.000 Pflanzen geben und sogar zwei Bäume mit einer Größe von acht Metern, also keine Bäumchen. Es gibt Studien, wie sehr solche Maßnahmen die Luftqualität verbessern – konkret die Luftfeuchte. Abgerundet wird das Work-Well-being-Konzept mit Flächen für Sport, Duschen für die Anreise mit dem Fahrrad, Terrassen mit Alpenblick, einer Kita, einem Deli und einem Concierge-Service.

Immune Office Open Space
Open Space Immune Office
Open Space Immune Office Gesamtansicht
Zielt diese Art von Projektentwicklung darauf ab, Menschen das Büro wieder schmackhaft zu machen? Warum ist das so wichtig?

Zoric: Natürlich! Die Branche sieht aktuell, dass Firmen weniger Fläche anmieten oder Büroflächen untervermieten und Schwierigkeiten haben, die Mitarbeitenden zum Kommen zu bewegen. Dabei zeigen uns gerade aktuelle Trends und Hypes – nehmen wir etwa das Thema Künstliche Intelligenz in Form von ChatGPT – wie wichtig der Mensch in Zukunft sein wird, wenn immer mehr Maschinen die Arbeit erledigen. Das Büro muss ein Ort sein, in dem Menschen zusammenkommen, um gemeinsam kreativ und empathisch zu sein. Denn diese Eigenschaften wird die KI so schnell nicht übernehmen. Doch viele Mitarbeitenden sehen das anders. Sie haben sich ans Homeoffice gewöhnt. Es gibt Studien, die zeigen, dass einige an einem regelrechten Cave-In-Syndrom leiden. Andere Studien zeigen, dass viele Menschen noch immer Angst vor einer Ansteckung haben. Allein die Angst vor der Ansteckung hemmt dann jedoch die Produktivität. Unternehmen muss es gelingen, mit dem Büro einen Ort zu schaffen, an den die Mitarbeitenden gerne und freiwillig kommen. Wenn sie nicht mehr ins Büro müssen, müssen sie ins Büro wollen. Diese Idee hat uns beim HEADS geleitet.

Steffi, siehst Du das auch so? Welche Erfahrungen hast Du mit Kunden gemacht, die einen hohen Wert auf die Umsetzung von Gesundheitskonzepten in ihren Büroräumen legen? Kennst Du weitere Beispiele?

Eisenbarth: Die Rückkehr ins Büro ist tatsächlich auch bei unseren Kunden aktuell die größte Herausforderung. Es gilt bei den Mitarbeitenden, ohne Zwang Begeisterung für das Arbeiten im Büro zu schaffen – und das in einem ansprechenden und sicheren hygienischen Umfeld. So unterschiedlich die Konzepte der Firmen zum mobilen Arbeiten sind, alle eint, dass die Mitarbeitenden die Selbstbestimmung und Flexibilität nur widerwillig aufgeben wollen. Die Bürogestaltung ist daher ein wichtiger Hebel, der beeinflussen kann, ob Mitarbeitende zurückkommen oder nicht. Unterschiedliche Angebote im Gebäude wie im HEADS, insbesondere auch durch die Außenflächen, helfen sehr.

Andere Beispiele, die unsere Kunden umgesetzt haben, um das Wohlbefinden zu stärken sind beispielsweise Human Centric Lighting, also intelligente Lichtsteuerung, die mit Hilfe der Lichtfarbe den Wechsel von natürlichem Tageslicht nachbildet. Morgens von warmen, rötlichen Tönen bis hin zum Maximum am Mittag. Erste Studien zeigen, dass Mitarbeitende sich dabei aufmerksamer und aktiver fühlen und durch den natürlichen Rhythmus Schafstörungen vorgebeugt wird.

Mit der Pandemie haben sich zudem neue Reinigungsrhythmen ergeben. Insbesondere für die Flächen, die von allen genutzt werden. Aber auch innerhalb des Desk-Sharing-Konzepts werden Oberflächen nun häufiger gereinigt oder es werden Oberflächen ausgewählt, die jede:r selbst mit einfachen Mitteln reinigen kann – bis hin zur Tastatur und Maus ohne Fugen ist alles möglich.

Jedes Angebot ist jedoch nur dann wirksam, wenn es vom Unternehmen mitgetragen wird. Wenn zusätzlich noch Gleichgesinnte in einem Gebäude wie dem HEADS zusammenkommen, kann ein echter Mehrwert für alle entstehen.

Stefanie Eisenbarth
Head of Project Solutions
Meine Aufgabe liegt in der Erarbeitung von unternehmensspezifischen Arbeitsplatzkonzepten, die ganzheitlich gedacht sind und die Bereiche Kultur, Raum, Services und Technologie berücksichtigen. Mit meinem Project-Solutions-Team unterstützen wir unsere Kunden in ganz Deutschland von der Strategieentwicklung über die Bedarfsanalyse hinzu Design, Planung und Umsetzung. Dabei liegt mein Fokus auf dem Thema Change Management, das die Begleitung der Mitarbeitenden im Veränderungsprozess in den Mittelpunkt stellt.
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