In unsicheren Zeiten zählt die Sicherheit bei der Standortwahl: Fokus auf A-Städte, Internationalität beim Vermietungsgeschehen und Flächenumsatz im Bereich der Vorjahre

Retailmarkt Deutschland 2020


Der Retail-Vermietungsmarkt ist bekannt dafür, anhand der Flächenumsätze und den damit verbundenen Branchen oder auch Städtekategorien viel mehr noch als andere Assetklassen jedes Jahr eine neue Geschichte über aktuell Markttrends zu erzählen. So setzten beispielsweise die verbesserten Corona-Aussichten im Zusammenspiel mit einem deutlich vergrößerten Flächenangebot in Citylagen die Rah-menbedingungen für das spürbar beschleunigte Vermietungsgeschehen im zweiten Halbjahr 2021. Ob und inwieweit sich diese Dynamik auf dem Retailmarkt im ersten Halbjahr 2022 weiter fortsetzen konnte, zeigt eine Analyse von BNP Paribas Real Estate.

Mit einem Flächenumsatz von rund 200.000 m² schafft der bundesweite Retail-Vermietungsmarkt in Innenstadtlagen nach den ersten sechs Monaten zwar keine Trendwende, erreicht jedoch ein Resultat im Bereich der beiden Vorjahreszeiträume 2021 (215.000 m²) und 2020 (ebenfalls knapp 200.000 m²). Eine Entwicklung, die sich bereits in der zweiten Jahreshälfte des vergangenen Jahres abgezeichnet und im laufenden Jahr weiter herauskristallisiert hat, ist der verstärkte Fokus auf die A-Städte1, die mit 59.000 m² ihre bereits gute Vorjahresbilanz bestätigen und ihre Umsatzanteile noch einmal um 4 Prozentpunkte auf knapp 31 % ausbauen konnten. „In Zeiten, in denen Expansionsentscheidungen vor dem Hintergrund der sich fortsetzenden geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten getroffen werden müssen, bieten die Top-Märkte zumindest bei der Standortwahl das höchste Maß an Sicherheit“, fasst Christopher Wunderlich, Head of Retail Advisory bei BNP Paribas Real Estate, zusammen.

Vermietungsdynamik spiegelt sich in Nachfrageimpulsen aus dem Ausland wider

Bei der Wiederaufnahme von Expansionsaktivitäten steht der deutsche Retailmarkt im laufenden Jahr zunehmend im Blickpunkt global agierender Labels, was durch den Anteil internationaler Vermietungen an den registrierten Deals belegt wird: Mit einem Beitrag von über 26 % stellt sich das Vermietungsgeschehen aktuell so international dar wie zuletzt 2018, wo 30 % der Abschlüsse auf Labels entfielen, die ihren Hauptsitz außerhalb von Deutschland haben. Dass internationale Brands, die hierzulande teilweise noch nicht vertreten sind, bei der Ausweitung ihres Filialnetzes vor allem auch auf die deutsche Einzel-handelslandschaft setzen, kommt hierbei noch klarer in den A-Städten zum Ausdruck: Mit über 52 % der verzeichneten Vermietungen und Eröffnungen entfällt hier mehr als jeder zweite Deal auf Retailer aus dem Ausland. Auch dies entspricht dem mit Abstand höchsten Wert der letzten Jahre. Zu den Markteintritten, die in den vergangenen 12 Monaten beobachtet werden konnten, gehören u. a. der Online-Elektronik-Filialist Coolblue (Kö-Bogen II, Düsseldorf), die Lebensmittelmarke Waterdrop (Hohe Straße, Köln), das neue Fashion-Konzept Armani Exchange (Schildergasse, Köln), der Gastronomiefilialist Big Easy (Potsdamer Platz Arkaden, Berlin) und der Outdoor-Spezialist Norrøna (Sendlinger Straße, München). Sowohl die Branchen und Konzepte als auch die Herkunftsregionen und Zielmärkte dieser Marktpremieren unterstreichen hierbei die Vielfalt bei den Nachfrageimpulsen aus dem Ausland.

Berlin erneut in einer eigenen Liga, München und Hamburg folgen dahinter 

Das beschleunigte Vermietungsgeschehen aus dem zweiten Halbjahr 2021 wurde in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres bestätigt. Insgesamt konnten seit Jahresbeginn rund 59.000 m² verteilt auf fast 120 Verträge (+ 5 %) in den Top-Shoppingmetropolen neuvermietet bzw. eröffnet werden. Über dem Durchschnitt (8.500 m² pro A-Stadt) ordneten sich mit Berlin (21.000 m²), München (12.000 m²) und Hamburg (10.000 m²) die drei größten deutschen Städte ein, wobei diese nicht nur auf ein höheres Volumen, sondern auch auf eine gestiegene Zahl an Abschlüssen kamen. Viel Neues zu vermelden gibt es zudem aus Köln (8.000 m²), während Frankfurt, Düsseldorf und Stuttgart mit jeweils rund 3.000 m² die hinteren Plätze unter sich aufteilen. In der Einzelbetrachtung machte in Frankfurt bei einer vergleichbaren Zahl an Deals lediglich die geringere durchschnittliche Flächengröße pro Vermietung den Unterschied zum Vorjahr aus. In Düsseldorf waren vor allem die Vermietungen im Kö-Bogen II und die Nachvermietung des Kaufhofs am Wehrhahn das ausschlaggebende Kriterium für ein höheres Volumen im Jahr 2021. Für die zweite Jahreshälfte ist vor dem Hintergrund des nach wie vor erhöhten Flächenangebots bei einer insgesamt stabilen Nachfragesituation in den Top-Märkten mit einem guten Resultat im Bereich des Vorjahres zu rechnen.

B-Städte: Flächenumsatz gibt leicht nach, Deal-Anzahl bleibt auf Vorjahreskurs  

Innerhalb der B-Städte2 klaffen die Unterschiede zwischen einzelnen Retailmärkten und sogar Einkaufsstraßen mit ganz unterschiedlichen Leerstands- und Mietpreissituationen deutlich weiter auseinander als in den A-Städten. Aggregiert lässt sich zur Jahresmitte im Vorjahresvergleich zwar ein leichter Rückgang beim Flächenumsatz (32.000 m²), jedoch ein konstant hohes Level bei den registrierten Abschlüssen (rund 80 Abschlüsse) verzeichnen. Betrachtet man die einzelnen Städtekategorien stechen bei den Standorten mit mindestens einer halben Millionen Einwohnern u. a. Essen (7.000 m²), Hannover (4.000 m²) und Leipzig (2.500 m²) mit gestiegenen Vermietungsvolumina in Citylagen heraus. In den Märkten mit 100.000 bis 500.000 Einwohnern sind darüber hinaus zum Beispiel Erfurt (3.000 m²), Bonn (2.800 m²), Mainz (2.500 m²) oder Wiesbaden (2.100 m²) als Retailmärkte mit überdurchschnittlichen Zwischenbilanzen zu nennen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich das insgesamt verbesserte Marktsentiment im ersten Halb-jahr vor allem auch auf internationale Retailer übertragen hat. Hierdurch konnte das Nachfragespektrum für A-Städte, aber auch für gut funktionierende Innenstadtlagen außerhalb der großen Shoppingmetropolen, ausgeweitet und Markteintritte umgesetzt werden. „Auch wenn in puncto Leerstandsabbau noch ein weiter Weg zu gehen ist, vergrößert sich aktuell die Bandbreite in- und ausländischer Einzelhändler, die auf den stationären Markt setzen und bei sinkenden Mieten und vergrößertem Angebot die Gunst der Stunde nutzen wollen“, beschreibt Christoph Scharf, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH und Head of Retail Services, das Momentum auf dem Retailmarkt. Der erste Schritt für eine spürbare Wiederbelebung des Vermietungsmarktes ist demnach gemacht. Ob dieser Aufschwung nach-haltig ist, dürfte sich angesichts der weiter bestehenden geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten jedoch erst im zweiten Halbjahr zeigen. 
 
Die interaktive Visualisierung zum Retailmarkt im ersten Halbjahr 2022 finden Sie unter folgendem Link:
https://www.realestate.bnpparibas.de/marktberichte/retailmarkt/deutschland-in-a-nutshell