Großflächen vorerst wieder im Fokus der Nachfrage: Vermietungen ab 1.000 m² generierten rund zwei Drittel des sehr guten Retail-Flächenumsatzes zum Jahresstart

Retailmarkt Deutschland 2020

Auch wenn die Schlussfolgerung zu weit gegriffen wäre, dass sich im ersten Quartal 2023 eine Trendumkehr von kleineren hin zu großen Shopflächen abgezeichnet hat, war die Vermietungsdynamik bei Großvermietungen auf dem bundesweiten Retailmarkt in Innenstadtlagen zum Jahresauftakt ungewöhnlich hoch. Eine hohe Anzahl frei werdender Galeria-Objekte, weiterhin bestehende größere Leerstände durch die Auswirkungen der Corona-Krise aber auch Restrukturierungs- und Umzugsbestrebungen bei renommierten Filialisten sind hierbei nur die wichtigsten Faktoren, die für eine spürbare Marktbelebung im Großflächensegment sorgten. Wie sich diese Trends auf dem Retailmarkt im ersten Quartal abgezeichnet haben und sich im Jahresverlauf 2023 weiter verfestigen könnten, hat BNP Paribas Real Estate anhand der Marktdaten zum innerstädtischen Vermietungsgeschehen analysiert.     

Flächenumsatz mit sehr gutem Resultat, Anzahl der Deals gleichzeitig auf moderatem Niveau   

Mit einem Retail-Flächenumsatz von insgesamt rund 150.000 m² in Citylagen deutscher Innenstädte erreichte der Einzelhandelsvermietungsmarkt zum ersten Mal seit fünf Jahren (Q1 2018: gut 170.000 m²) die 150.000-m²-Marke zum Jahresauftakt. Dass die Zahl der registrierten Vermietungen und Eröffnungen vergleichsweise moderat ausgefallen ist, spiegelt die hohe durchschnittliche Shopgröße der in den ersten drei Monaten abgeschlossenen Einzelhandelsvermietungen wider. So lag die Mietfläche pro Deal zu Jahresbeginn im Schnitt bei 930 m² und der Marktanteil der Abschlüsse mit mindestens 1.000 m² bei 67 %, während sich die Vergleichswerte in der Zeitspanne zwischen 2017 und 2022 bei rund 550 m² bzw. 50 % einordnen. Aufgrund der vielen verschiedenen Krisen, Herausforderungen und Anpassungsprozesse in der stationären Einzelhandelslandschaft wurde das Segment der größeren Retail-Flächen, die in den vergangenen Jahren in der Regel als eher unattraktiv wahrgenommen wurden, neu belebt.

„Zurückzuführen ist dieser Trend vor allem darauf, dass viele Retailer im Zuge ihrer Neupositionierung die Chance ergreifen, sich größere Flächen in den absoluten Top-Lagen, die über viele Jahre von denselben Akteuren bespielt wurden und somit nicht verfügbar waren, zu sichern. Hierbei wird zunehmend auf marktangepasste Mietpreismodelle und -komponenten zurückgegriffen“, so Christopher Wunderlich, Head of Retail Advisory bei BNP Paribas Real Estate. Dass Fashion-Filialisten für über 80 % des sehr hohen Flächenumsatzes im Großflächensegment verantwortlich zeichnen, ist zudem ein klares Signal für die umfangreichen Transformationsprozesse in der stationären Modebranche. In diesem Zusammenhang ist die Fokussierung namhafter Bekleidungs-Labels auf einzelne moderne Flagship-Stores jedoch in der Regel auch mit Geschäftsaufgaben innerhalb der historisch gewachsenen und oftmals sehr dichten Filialnetze verbunden. Demnach stehen den Flächenumsätzen auf der Nachfrageseite in vielen Fällen auch weitere Flächenzugänge auf der Angebotsseite gegenüber.

A-Städte als Plattform: Weniger Stores im Filialnetz, dafür Vorzeigeläden in Top-Lagen  

Die vorgenannten Trends kristallisieren sich insbesondere in den Top-Märkten heraus, in denen durch die skizzierten Entwicklungen Bestmarken beim Flächenumsatz und bei den Großvermietungen erzielt wurden. Insgesamt konnte durch das Zusammenspiel aus Umzügen, Neupositionierungen und Galeria-Aufgaben in den A-Städten ein Zwischenergebnis von gut 59.000 m² generiert werden. Auch der Marktanteil des Großflächensegments von rund 73 % wirkt durch die vergleichsweise knappere Angebotssituation in den größten Shoppingmetropolen noch beeindruckender als in der bundesweiten Betrachtung. Bemerkenswert ist zudem, dass an jedem der A-Standorte in den vergangenen zwölf Monaten neue Großflächenshops neu vergeben bzw. eröffnet wurden. In der Kategorie der Neuansiedlungen sind in diesem Kontext unter anderem Uniqlo in München (Alte Akademie), Apple in Berlin (Rosenthaler Straße) oder Reserved in Düsseldorf (Kö-Bogen II) erwähnenswert. Der Spatenstich für den Umbau des Carsch-Hauses zur KaDeWe-Filiale in Düsseldorf steht zudem beispielhaft für Neuausrichtungen innerhalb der Kaufhaussparte. Bei den Umzügen und Neupositionierungen gehören H&M in München (Kaufingerstraße), Zara in Stuttgart (Königstraße), Zalando in Köln (Schildergasse) oder C&A in Hamburg (Mönckebergstraße) zu den Beispielvermietungen, die allesamt von etablierten Einzelhandelsakteuren in Hochfrequenzlagen getätigt wurden. Dass die durchschnittliche Flächengröße dieser Abschlüsse sogar bei rund 3.500 m² liegt, unterstreicht zudem die These, dass Großflächen derzeit wieder zunehmend im Fokus stehen.

Zusammenfassend bildet das insgesamt rege Marktgeschehen auf dem Retailmarkt und die gesonderte Rolle, die Großvermietungen hierbei gespielt haben, nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite darf nicht vergessen werden, dass die Nachfrage vor allem auch durch Sondereffekte auf der Angebotsseite mit attraktiven Einzelhandelsflächen in Top-Lagen stimuliert wurde. „Nichtsdestotrotz sendet die Nachvermietung zahlreicher größerer Stores gerade auch im Zuge der Schlagzeilen zur Streichliste der Galeria-Filialen ein positives Signal für die zu erwartende Vermietungsdynamik im weiteren Jahresverlauf“, fasst Christoph Scharf, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH und Head of Retail Services, das Marktsentiment zusammen.

Die interaktive Visualisierung zum Retailmarkt 2022 (Seite 1) und Q1 2023 (Seite 2) finden Sie unter folgendem Link: