ZWISCHEN STABILITÄT UND STORYTELLING – WAS DEN DEUTSCHEN RETAILMARKT 2025 PRÄGT
Christoph Scharf, Managing Director und Head of Retail Services bei BNP Paribas Real Estate, berichtet im exklusiven Gespräch von Trends, Herausforderungen und neuen Chancen im Einzelhandel. Der Retailmarkt formiert sich neu – mit belebten Einkaufsstraßen, gastronomischen Konzepten als Frequenzbringer und Investoren, die gezielt auf stabile Teilsegmente setzen. Doch welche Konzepte funktionieren wirklich – und wie geht es weiter?
Investmentmarkt: Stabilität im Kleinen, Zurückhaltung bei “Big Tickets“
„Der Retail-Investmentmarkt verbucht zur Jahresmitte ein Transaktionsvolumen von gut 2,86 Milliarden Euro und kann sich damit im Vergleich der drei Top-Objektarten hauchdünn vor Logistik und Büro an die Spitze schieben “, so Christoph Scharf. „Gerade kleinere bis mittlere Transaktionen unter 50 Millionen Euro zeigen sich sehr robust.“
Deutlich ausgeprägt zeigt sich ein Trend innerhalb der Nutzungsarten im Retail-Investmentmarkt. Mit einem Anteil von rund 68 Prozent dominieren weiterhin Fachmärkte und lebensmittelgeankerte Einzelhandelsimmobilien klar das Geschehen. Shopping-Center folgen mit einem Marktanteil von 16 Prozent, während Geschäfts- und Kaufhäuser aktuell bei geringen 12 bzw. 4 % Transaktionsvolumens liegen.
Retailvermietung: Frequenz kehrt zurück in die Innenstädte
Auch die Passantenfrequenzen zeigen ein ermutigendes Bild: Zwei Drittel der betrachteten Einkaufsmeilen verzeichnen stabile oder sogar steigende Zahlen. „Man merkt es deutlich – selbst mittags wird man auf der Zeil in Frankfurt wieder fast umgerannt“, berichtet der Retail-Experte. Klassische Toplagen wie die Kaufingerstraße in München, die Georgstraße in Hannover oder die Schildergasse in Köln behaupten ihre Position.
Gleichzeitig überraschen B-Städte mit Dynamik, etwa Leipzig mit +12 Prozent Frequenzwachstum in der Grimmaischen Straße oder auch Wiesbaden und Heidelberg mit stark frequentierten Fußgängerzonen.
Das Thema Nachhaltigkeit ist für einen großen Teil der jungen Zielgruppe kaufentscheidend – und wird zum festen Bestandteil urbaner Retail-Konzepte.
Luxusmarkt: Von Mass Appeal zu Quiet Luxury
Während sich das Kundeninteresse im klassischen Luxussegment zunehmend differenziert, gewinnen neue Formate im Bereich Quiet Luxury an Bedeutung. „Marken wie Loro Piana oder Brunello Cucinelli funktionieren, weil sie Qualität ohne lautes Branding bieten“, erläutert Scharf. Damit treffen sie den Nerv einer stilbewussten, zurückhaltenden und teilweise immer jünger werdenden Klientel.
Zusätzlich beobachtet man eine steigende Relevanz von Second-Hand-Formaten wie Kiloshop: „Das Thema Nachhaltigkeit ist für einen großen Teil der jungen Zielgruppe kaufentscheidend – und wird zum festen Bestandteil urbaner Retail-Konzepte.“
Storytelling als Erfolgsfaktor im stationären Handel
Neben Produktqualität und Markenimage wird das Storytelling zunehmend zum entscheidenden Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb. Marken, die über soziale Medien, Events und innovative Storekonzepte eine klare Botschaft transportieren, bauen stärkere Kundenbindungen auf. „Konsumenten kaufen nicht nur Produkte, sie kaufen Identität“, so Scharf. Erfolgreiche Konzepte schaffen daher emotionale Anknüpfungspunkte und inszenieren den Store als Teil eines größeren Markenerlebnisses.
Fitness, Events, Erlebnisse: Neue Mietergruppen erobern die Highstreets
Die erhöhte Frequenz könnte auch darauf zurückgehen, dass neue Mieter in die Highstreet ziehen. So werden auch Fitnessstudios zunehmend als relevante Retail-Nutzer wahrgenommen. Ob Bootcamp, Boxen oder Yoga – „Fitness wird zum urbanen Lifestyle-Element“, erklärt Scharf. Gepaart mit Eventflächen wie Escape Rooms oder Gaming-Konzepten wächst die Nutzungsvielfalt in den Innenstadtlagen.
Versorgungssicherheit trifft Rendite: Grocery-Segment überzeugt erneut
Ob Highstreet oder Randlage: Grocery überzeugt Investoren scheinbar in allen Lagen: „Der Lebensmitteleinzelhandel ist ein stabiler Anker im Markt“, erklärt Scharf. Mit dem eigenen Grocery Report, den BNP Paribas Real Estate 2024 eingeführt hat, wird der Fokus auf diese Assetklasse noch einmal geschärft: „Es gibt einen klaren Bedarf an datengetriebener Marktanalyse, gerade im Fachmarktsegment.“
Lange Mietlaufzeiten, stabile Mieterstrukturen und resiliente Umsätze machen den Sektor besonders für internationale Investoren attraktiv. „Vor Corona war Food für viele ein Nischenthema – heute ist es ein fundamentaler Baustein für Portfolio-Stabilität.“