Deutscher Wohn-Investmentmarkt blickt auf ein verhaltenes Jahr zurück

Wohn-Investmentmarkt Deutschland

Die deutlich gestiegenen Zinsen, eine sich abschwächende Konjunktur und eine Inflation auf historisch hohem Niveau sorgen dafür, dass sich der deutsche Wohn-Investmentmarkt 2022 spürbar verhaltener als noch in den Vorjahren präsentierte. Bundesweit wurden im vergangenen Jahr gut 13,1 Mrd. € in größere Wohnungsbestände (ab 30 Wohneinheiten) investiert. Das herausragende Rekordergebnis aus dem Vorjahr wurde damit um rund 74 % verfehlt, wobei berücksichtigt werden muss, dass 2021 unter anderem die mehr als 22 Mrd. € schwere Übernahme der Deutschen Wohnen durch Vonovia das Ergebnis nach oben verzerrte. Deutlich aussagekräftiger ist daher der Blick auf den langjährigen Durchschnitt, der um rund ein Drittel unterschritten wurde. Dies ergibt eine Analyse von BNP Paribas Real Estate.

„In den vergangenen drei Monaten belief sich das Investitionsvolumen auf lediglich 2,9 Mrd. €, womit das vierte Quartal das schwächste des abgelaufenen Jahres war. Die übliche Jahresendrallye ist 2022 somit erstmals wieder seit der Finanzkrise ausgefallen. Dies ist ein deutlicher Beleg dafür, wie sehr die geänderten Rahmenbedingungen eine gewisse Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Wohn-Investmentmärkte ausgelöst hat. Die Preiserwartung von Verkäufern und Käufern wiesen ab dem zweiten Quartal zum Teil erhebliche Differenzen auf, was sich bis heute fortsetzt. Viele für das abgelaufene Jahr angebahnte großvolumige Transaktionen konnten daher nicht realisiert werden. Erfahrungsgemäß sind solche Preisfindungsphasen jedoch nicht von allzu langer Dauer und enden häufig damit, dass neue Akteure die Gelegenheit zum günstigen Markteinstieg nutzen und so dazu beitragen, dass ein für alle Seiten faires Preisniveau gefunden wird“, erläutert Christoph Meszelinsky, Geschäftsführer und Head of Residential Investment der BNP Paribas Real Estate GmbH.

Insgesamt hohe Transaktionsanzahl, aber wenige Großdeals

Auch wenn das Investitionsvolumen unterhalb dem der vergangenen Jahre liegt, zeigt ein Blick auf die Transaktionsanzahl, dass dennoch nach wie vor eine gewisse Marktdynamik vorhanden ist. So stehen für das abgelaufene Jahr rund 310 Transaktionen und damit ein Wert zu Buche, der sich in etwa im langjährigen Schnitt bewegt. Gleichzeitig liegt das durchschnittliche Dealvolumen jedoch nur bei 42 Mio. € und damit deutlich unterhalb der Werte vergangener Jahre. Zurückführen lässt sich dies vor allem auf eine vergleichsweise niedrige Aktivität im großvolumigen Segment. So wurden 2022 nur rund 5,2 Mrd. € in Portfolios mit einem Volumen im dreistelligen Millionenbereich investiert, was den niedrigsten Wert der letzten 10 Jahre entspricht. Demgegenüber erzielen die Segmente unterhalb der 100-Mio.-€-Marke zusammengenommen ein Volumen von 7,9 Mrd. €, was gleichbedeutend mit einem Plus von 14 % gegenüber dem langjährigen Schnitt ist. Der Markt ist dementsprechend wesentlich kleinteiliger geworden. Da großvolumige Transaktionen häufig von institutionellen Investoren mit einem hohen Fremdfinanzierungsanteil getätigt werden, macht sich die Zinswende überproportional stark in diesem Segment bemerkbar.

Projektentwicklungen/Forward Deals durch starken Jahresauftakt an der Spitze des Rankings

Aufgrund der geringen Anzahl an großvolumigen Paketverkäufen zeigt auch die Verteilung des Investitionsvolumens auf die einzelnen Assetklassen ein ungewohntes Bild. Üblicherweise führen Bestandsportfolios das Ranking mit großem Abstand an. Im abgelaufenen Jahr entfielen auf sie hingegen lediglich 26,5 % bzw. 3,47 Mrd. € des Umsatzes, womit sie ihren niedrigsten Wert der vergangenen 10 Jahre erzielen. Eine deutlich erhöhte Aktivität ist derweil bei Einzelobjekten (Bestand) zu verzeichnen, worin sich die aktuelle Kleinteiligkeit des Marktes widerspiegelt. Rund 150 Einzeltransaktionen verhelfen dem Segment zu einem Rekordvolumen von knapp 3,49 Mrd. € (27 % Umsatzanteil). „Dass Projektentwicklungen/Forward Deals mit anteilig 34 % (4,44 Mrd. €) momentan an der Spitze des Asset-Rankings thronen, ist auf den ersten Blick überraschend. So hat die Kombination aus den gestiegenen Zinsen und den enormen Zuwächsen bei den Baupreisen die Kostenkalkulation im Neubausegment zuletzt deutlich verkompliziert. Und tatsächlich zeigt die differenzierte Betrachtung der einzelnen Quartale, dass das starke Abschneiden maßgeblich auf den herausragenden Jahresstart zurückzuführen ist. Der in den Ballungsräumen über Jahre aufgebaute Produktmangel im Bestand sowie gestiegene ESG-Anforderungen haben das Neubausegment nach den ersten drei Monaten des Jahres auf ein absolutes Rekordniveau gehievt. Alle folgenden Quartale hingegen haben den fünfjährigen Quartalsschnitt um jeweils mindestens 20 % verfehlt“, stellt Meszelinsky fest.

Auch die Verteilung des Investitionsvolumens nach Käufergruppen hat sich durch die geänderten Rahmenbedingungen auf dem Wohn-Investmentmarkt im Vergleich zu den Vorjahren gewandelt. So zeichnen die üblicherweise sehr stark vertretenen Immobilien-AGs/REITs aktuell für lediglich 1,22 Mrd. € verantwortlich, wovon beachtliche Anteile allein auf die Mehrheitsübernahme von S Immo durch CPI Property entfallen. Ihre Eigenkapitalverfügbarkeit liegt deutlich niedriger als noch in den Vorjahren, sodass sie kaum noch als Käufer in Erscheinung getreten sind. Demgegenüber belegt die Tatsache, dass Spezialfonds (30 %) und Investment Manager (20 %) zusammen mehr als 6,5 Mrd. € investierten, die Attraktivität von Wohnimmobilien für institutionelle Investoren trotz aller wirtschaftlicher Unsicherheiten.

Hamburg mit starkem Ergebnis

Mit einem Anteil von 47 % am bundesweiten Transaktionsvolumen bilden die A-Städte weiterhin den Investment-Hotspot des deutschen Wohn-Investmentmarktes. Damit wurden 2022 gut 6,18 Mrd. € in den sieben größten deutschen Städten investiert, womit der langjährige Schnitt jedoch um rund ein Drittel unterschritten wurde. Das Volumen verteilt sich zudem sehr heterogen auf die einzelnen Städte. Berlin spielt mit einem Volumen von 3 Mrd. € einmal mehr in einer ganz eigenen Liga, verzeichnet allerdings nichtsdestotrotz den niedrigsten Umsatz seit 2014. Mit deutlichem Abstand folgt Hamburg auf dem zweiten Platz. Die Hansestadt erzielt mit einem Volumen von 1,42 Mrd. € als einziger Topstandort ein Ergebnis über dem langjährigen Schnitt (+33 %). Derweil bleiben Frankfurt (570 Mio. €; -37 %), München (456 Mio. €; -19 %), Düsseldorf (398 Mio. €; -18 %), Köln (167 Mio. €; -55 %) und Stuttgart (130 Mio. €; -22 %) zum Teil deutlich unterhalb ihrer üblichen Resultate.

Durch die weiter gestiegenen Finanzierungskosten haben auch die Netto-Spitzenrenditen für Neubauobjekte zum Jahresende noch einmal spürbar zugelegt. Der Anstieg gegenüber dem Halbjahr bewegte sich im Bereich von 15 bis 25 Basispunkten. Teuerster Standort ist nach wie vor München (2,80 %), gefolgt von Berlin, Frankfurt und Stuttgart, die jeweils bei 2,85 % liegen. Für Düsseldorf, Hamburg und Köln sind aktuell 2,9 % anzusetzen.

 Perspektiven

„Nicht zuletzt das verhaltene vierte Quartal ist ein deutlicher Beleg dafür, dass die Preisfindungsphase auf dem Wohn-Investmentmarkt noch im vollen Gange ist. Vor dem Hintergrund, dass steigende Leitzinsen und Finanzierungskosten zu Jahresbeginn weiter das dominierende Thema am Markt bleiben dürften, ist es aktuell das wahrscheinlichste Szenario, dass sich die Findungsphase bis zur Jahresmitte fortsetzen wird. Entsprechend ist auch von einem weiteren leichten Anstieg der Spitzenrenditen auszugehen. Aus heutiger Sicht spricht jedoch vieles dafür, dass im Laufe des zweiten Quartals ein Ende der Zinserhöhungen absehbar sein wird und die Planungssicherheit der Akteure damit deutlich steigt. Entsprechend dürfte sich der Markt im zweiten Halbjahr bereits wieder spürbar dynamischer präsentieren. Das Transaktionsvolumen wird voraussichtlich dennoch niedriger als in den letzten Jahren ausfallen, da zum einen Akquisitionsprozesse weiterhin sehr selektiv verlaufen werden und die Zahl der Großtransaktionen damit niedrig bleibt. Zum anderen liegt das Preisniveau insgesamt niedriger als noch in den letzten Jahren, wodurch natürlich auch das bewegte Volumen sinkt. Ein Transaktionsvolumen auf dem Niveau des vergangenen Jahres ist aus heutiger Sicht für 2023 aber realistisch“, fasst Christoph Meszelinsky die weiteren Aussichten zusammen.