URBAN FARMING: LANDWIRTSCHAFT IN DER STADT UND AUF DEM DACH
Immer mehr Menschen wohnen im urbanen Raum, wollen aber nicht auf ökologische Produkte, Pflanzen und auf die Gartenarbeit verzichten. Landwirtschaftliche Flächen in der Stadt sind jedoch rar. Aus diesem Grund gewinnen Urban Farming und Vertical Gardening an Bedeutung – auch für Unternehmen.
Definition: Urban Farming vs. Urban Gardening
Größtenteils werden diese beiden Begriffe als Synonyme verwendet. Urban Gardening bezieht sich jedoch nur auf den Anbau für den Eigenbedarf – zum Beispiel im Garten, auf dem Balkon, der eigenen Terrasse oder im Gewächshaus – während Urban Farming die Landwirtschaft im städtischen Bereich bezeichnet. Hierbei werden Gemüse-, Obst-, Pflanzen- oder Kräutergärten angelegt, um auch auf kommerzieller Basis Produkte für eine größere Bevölkerungszahl zu liefern. Urbane Landwirtschaft findet sich mittlerweile
- auf Brach- und Grünflächen,
- auf Hausdächern und -wänden,
- an Hochhäusern.
Aus Platzmangel in der Stadt wird gerade die vertikale Landwirtschaft (englisch Vertical Farming) als ein wichtiges, zukunftsfähiges Konzept betrachtet. Hierbei werden Nutzpflanzen an Vorrichtungen (auf dem Dach) oder an Hausfassaden vertikal angepflanzt
💡 Nice to know: Auch der Begriff Aquaponik wird in Verbindung mit urbaner Landwirtschaft häufig verwendet. Dieses bezeichnet ein Verfahren, dass die Fisch- mit der Pflanzenzucht verbindet. Bei einer Aquaponik-Anlage werden Fisch-Exkremente als Nährstoffe für Pflanzen und Kräuter verwendet. Das Ganze läuft meist automatisiert über Pumpenanlagen, sodass ein geschlossener Kreislauf hergestellt werden kann.
Städtische Landwirtschaft: gut für Stadt, Bewohner:innen und Umwelt
Städte und auch ihre Bewohner:innen profitieren gleichermaßen von dieser Entwicklung und den innovativen Ideen im Bereich Urban Farming und -Gardening. Bewohner:innen erhalten durch städtische Gärten die Chance, einen Teil ihrer direkten Umgebung mitzugestalten und können beim Gärtnern neue Kontakte knüpfen und die Gemeinschaft stärken. Durch den eigenen Anbau und das Ernten wissen die Konsument:innen außerdem, Lebensmittel wieder mehr zu schätzen, sodass eventuell auch Lebensmittelverschwendung vermieden werden kann. Natürlich profitiert auch die Umwelt von der städtischen Pflanzenzucht. Urbaner Landwirtschaft hat man es auch zu verdanken, dass unter anderem kürzere und damit umweltfreundlichere Transportwege genutzt werden können und die Artenvielfalt geschützt wird. Denn wenn es in Städten und Gärten in verschiedenen Farben blüht, haben auch Insekten wieder mehr Nahrung auf urbaner Fläche.
Beispiele für Urban Gardening in Deutschland
Ein konkretes und vor allem wirtschaftliches Beispiel für Urban Farming oder vertikale Gärten existiert in Deutschland zwar noch nicht, dennoch gibt es hierzulande einige Projekte im Bereich Urban Gardening. Der Durchbruch dieser Gartenbewegung in Städten gelang spätestens 2009 mit der Eröffnung der Berliner Prinzessinnengärten. Auf einer 6.000 Quadratmeter großen brachliegenden Fläche in Kreuzberg-Friedrichshain wird seit über zehn Jahren Gemüse mobil angepflanzt, das heißt in Blumenkübeln, Säcken oder alten Badewannen, um jederzeit den Garten umziehen zu können. Das Projekt wurde 2019 sogar in zwei eigenständige Orte aufgeteilt, die unabhängig voneinander organisiert werden.
Modernes Stadtleben und Nähe zur Natur und der eigenen Nahrung sind auch Ziele eines Frankfurter Projekts. In der Grünen Lunge am Frankfurter Günthersburgpark haben die selbsternannten Gemüseheldinnen 2019 zunächst in einem Garten angefangen. Heute bewirtschaften sie 19 Gärten mit 250 aktiven Gärtner:innen. Für jeden Garten gibt es ein Team aus mindestens fünf Menschen, die den Garten gemeinschaftlich bewirtschaften.
Weitere spannende Beispiele für Urban Gardening in Deutschland:
- Düsseldorf hat sich vorgenommen, zu einer „Essbare(re)n Stadt“ zu werden und informiert die Einwohner:innen auf der städtischen Website über passende Projekte und gibt Anleitungen und Tipps für den Anbau.
- In Köln werden ungenutzte Flächen zum Gärtnern verwendet: So wird auf dem Gelände des ehemaligen Kartäuserkloster angepflanzt, ebenso wie auf einem alten, asphaltierten Parkplatz in Köln-Nippes, der sich seit 2019 in eine blühende Oase mit unterschiedlichstem Bio-Gemüse in Kübeln und Hochbeeten und insektenfreundlichen Blühpflanzen entwickelt hat.
- Leipzig verfügt unter anderem über den 4.300 Quadratmeter großen Stadtgarten Connewitz: Im Gemeinschaftsgarten wird nicht nur gegärtnert, sondern auch weitergebildet mit unterschiedlichen Angeboten wie Saatgut- und Pflanzentauschbörsen oder Wildkräuter- und Naturgarten-Workshops.
- Auch in Stuttgart gibt es einige inspirierende Beispiele: In Zuffenhausen entstand beispielsweise in Verbindung mit einer Flüchtlingsunterkunft ein bunter Kräutergarten, und in Hallschlag dreht sich alles um die Themen Gesundheit, Ernährung und Umwelt sowie auch die Verständigung und der Austausch von Menschen unterschiedlicher ethnischer und kultureller Herkunft.
- Ein eher untypisches landwirtschaftliches Konzept verfolgt das Hamburger Projekt „Hof vorm Deich“: Hier kann man ohne Startkapital zum Beispiel einen Kräuter- oder Gemüsegarten sowie ein Bienen- oder Fischkasten-Projekt des Hofes mit eigenen Konzepten gestalten.
Internationale Beispiele von Urban Farming
Einige Länder sind in der urbanen Landwirtschaft im Vergleich zu Deutschland deutlich weiter. Es gibt viele spannende Beispiele im Bereich Urban oder sogar Vertical Farming. In Singapur wird mit dem Sky Greens bspw. die erste hydraulisch betriebene vertikale Farm mit mehreren hundert Türmen betrieben. Doch auch in Europa finden sich inspirierende Beispiele: In einem Londoner Luftschutzbunker wird 30 Meter unter der Erde Gemüse angebaut. Das größte urbane Landwirtschaftsprojekt Europas und der weltweit größte Dachgarten befindet sich allerdings in Paris.
Auf dem Dach der Pariser Expo Porte de Versailles wird auf 14.000 Quadratmetern Obst und Gemüse gepflanzt. Diese Produkte versorgen Supermärkte, Hotels und Restaurants in der Umgebung. Dabei wachsen hier über 30 verschiedene Obst-, Gemüse- und Kräutersorten, größtenteils auf aeroponische Weise. Das heißt, dass die Pflanzen übereinander wachsen, sodass mehr Ertrag möglich ist. Auf einem Quadratmeter können so zum Beispiel 52 Salate, anstatt wie bei klassischem Anbau nur neun Salatköpfe, angebaut werden. Im Schnitt können daher täglich rund 200 Kilogramm Obst und Gemüse geerntet werden. Dieser Stadtgarten ist – wie auch das Headquarter von BNP Paribas Real Estate – Teil der grünen Wende in der französischen Hauptstadt.
Urban Farming bei BNP Paribas Real Estate
Im neuen Headquarter von BNP Paribas Real Estate – Métal 57 – wurden die Dächer zu einem Garten-Paradies verwandelt: In Boulogne-Billancount südwestlich von Paris werden auf einer begrünten Dachterrasse mit einer Fläche von 3.500 Quadratmeter verschiedene Arten von Obst, Gemüse und Kräutern angebaut. Diese Produkte des Dachgartens werden für die Restaurants der im selben Gebäude befindlichen Food Hall genutzt. Aber auch die Mitarbeitenden können sich aktiv am Projekt beteiligen.
Bereits in dem ehemaligen Hauptsitz hatte BNPPRE Frankreich gute Erfahrungen mit urbaner Landwirtschaft auf dem Dach gemacht: Dabei konnten Mitarbeitende in Teams drei Quadratmeter mit 71 verschiedenen Früchten, Gemüsesorten und Kräutern bepflanzen und erhielten dabei einen Ertrag von bis zu 25 Kilogramm im Jahr! Die Mitarbeitenden wurden sogar von einem Community-Gärtner unterstützt, um die Erzeugnisse zu optimieren. Es gab zudem auch Koch-Workshops, um zu zeigen, wie die eigenen Produkte weiterverarbeitet werden können.
Ein Teil des urbanen Gartens wurde auch für Forschungszwecke genutzt. Gemeinsam mit dem Urban-Farming-Spezialisten Mugo und der Agro Paris Tech Universität wurde daran geforscht, welche Pflanzen am besten in Metropolen wie Paris wachsen. Und auch andere Städte folgen diesem Beispiel. Die BNPPRE-Niederlassung in Hamburg plant, ihr Dach weiter zu begrünen. Über die Blumenwiese auf dem Dach in den Hohen Bleichen freuen sich sicher auch die 15.000 Bienen, die seit Sommer 2019 „Untermieter“ im Büro in der Hansestadt sind.
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© Photograph : Vincent Fillon – Architects : Dominique Perrault Architecture, Claude Vasconi